die Suche nach den Wurzeln |
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Die Geschichte der Fahnenkompanie ist naturgemäß auch die Geschichte der Fahne selbst und die Fahne eines Vereines wiederum ist untrennbar mit dem Geschehen der Gemeinschaft, die sie repräsentiert, verbunden. So müssen wir bei unserer Betrachtung schon etwas weiter ausholen und in der Zeit der Gründung des ASV beginnen.Als sich 1886, wie auf der Unterseite „Willicher Schützenwesen“ durch Karl Kothen ausführlich beschrieben, die drei damals in Willich existierenden Schützenvereine zur Durchführung eines Allgemeinen Schützenfestes in Willich zusammenfanden, war diese Handlung ein Gebot der Stunde, denn keine der drei Gemeinschaften war für sich alleine in der Lage, ein eigenes Fest auf die Beine zu stellen. 1886 - man muss sich den Verlauf dieses neunzehnten Jahrhunderts einmal vor Augen führen: Der Willicher Marktplatz vor
der Jahrhundertwende
war die Kulisse |
Die Revolution, deren Ideen aus Frankreich auch ins Rheinland herübergeschwappt waren und allen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit versprochen hatten, hatte das mittelalterliche Denken abrupt beendet. Als dann am 5. Oktober 1794 die ersten Truppen Napoleons in Willich einmarschiert waren, wurde der Ort später mit den übrigen linksrheinischen Territorien der „Grande Nation“ einverleibt. Nach dem Wiener Kongress 1815 kam er dann zu Preußen. Auch wenn die verhältnismäßig kurze Zeit der französischen Verwaltung tiefgreifende Umwälzungen in unserer Heimat mit sich gebracht hatte, auch wenn die französische Lebensart den Rheinländern weitaus mehr entgegenkam, als der eher asketische Charakter des preußischen Staates, so hatte sich der preußische Einfluss in diesen sieben Jahrzehnten bis zur Gründung des ASV, besonders nach einigen schnellen militärischen Siegen über Dänen (1864) [1], Österreicher (1866) [2] und vor allem über den „Erbfeind“ Frankreich (1870/71) [3], sicherlich mit vielen Vorbehalten der katholischen Rheinländer gegenüber den protestantischen Preußen, auch hier fest etabliert. Trotzdem die Preußen auch ihrerseits den Rheinländern recht reserviert gegenüberstanden [4], gelangte die Ausstrahlung des neuen Kaiserreiches selbst ins ferne und ländliche Willich. Bezeichnend für diese gesamte Epoche ist einige Jahre später ein Telegramm an den Kaiser anlässlich der Entsendung deutscher Soldaten nach China während des Boxeraufstandes: „Circa 500 Willicher Schützen stehen hinter Seiner Majestät Wilhelm II. und wünschen Ihm viel Kriegsglück“ [5]. |
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Kaiser Wilhelm II. In
diese Zeit fiel nun die Gründung des ASV und die damalige
Denkweise
schlug sich
selbstverständlich auch auf das neuformierte
Willicher Schützenwesen
nieder. Die Uniformen und das Ritual des Ablaufes können bis
zum
heutigen Tage
ihren preußischen Einfluss nicht verleugnen. |
Die Fahnenabordnungen im Jahre 1910 Andere
Willicher Vereine schmückten sich gerade in jener
Zeit des ausgehenden
neunzehnten Jahrhunderts mit neuen Fahnen, so beispielsweise
der 1895
gegründete
Gesellenverein (die heutige Kolpingsfamilie) oder im Jahre
1897 der
fünf
Jahre zuvor entstandene Turnverein. Selbst die
Junggesellen-Schützenbruderschaft
schaffte sich 1892 eine neue Fahne mit der Darstellung des heiligen
Pankratius
auf der einen und der heiligen Katharina in einem Kranz von
Rosen auf
der anderen
Seite an. Eine eigene ASV-Fahne wird in den Aufzeichnungen des Vereines
jedoch nie erwähnt. Es
ist als gesichert anzusehen, dass es vor 1900 keine solche gab, denn in
diesem
Jahre steht in der Zugordnung zum Schützenfest
lediglich vermerkt |
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Die Parade im Jahre 1900 Auf dem abgebildeten Foto, welches nicht später als 1900 entstanden sein kann, sind in der Tat auch vier Fahnen sichtbar; leider ohne erkennbare Darstellungen. Auf zeitlich folgenden Aufnahmen (ab 1910) werden immer fünf Fahnen mitgeführt. Auch hier sind nur Bruchstücke der jeweiligen Motive sichtbar. Sollte diese fünfte Fahne eine neue des Allgemeinen Schützenvereines gewesen sein? |
Die fünf Fahnen im Jahre 1913 Zwanzig
Jahre nach der Gründung, so sollte man doch annehmen,
wird doch so
etwas wie
ein Gemeinsamkeitsgefühl entstanden sein,
vor allem, da der Erfolg
ja messbar
war, denn die gemeinsam durchgeführten Feste wurden immer
größer und
schöner
und die Besucherzahlen erreichten Rekordmarken. Die
„Bürger-Junggesellen-Schützen“
hatten sich bereits kurz nach 1906 aufgelöst [7].
Vielleicht wurde ihre Fahne ja noch aus
Nostalgiegründen weiterhin
zu den
Schützenfesten gezeigt.
Allerdings gab es für die Willicher Schützen auch einen ungemein gewichtigen Grund, keine eigene ASV-Fahne zu führen: Im ersten Absatz der neuen Satzung wurde die Eigenständigkeit der drei Gemeinschaften festgeschrieben. Sie sollten nur zusammentreten, um ein gemeinsames Schützenfest zu feiern [8]. |
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Der Festzug 1924 Man kann davon ausgehen, dass die einzelnen Bruderschaften, zumindest in den ersten Jahren nach dem Zusammenschluss, eifersüchtig an ihrem Status festhielten und so kam es wohl, dass der neue ASV im Sinne dieses Paragraphen auf ein eigenes Symbol verzichtete und damit die Betonung der Unabhängigkeit der einzelnen Bruderschaften unterstrichen werden sollte. Die Fotografien aus jener Zeit lassen die Motive der mitgeführten Fahnen immer nur schlecht erkennen, so dass eine Zuordnung kaum möglich ist. Auf einer Aufnahme von 1924 ist lediglich die erste Fahne mit einiger Sicherheit als die der St-Sebastianer zu identifizieren. Ein Bild von 1929 lässt relativ gut vier Bruderschaftsfahnen erkennen. Die fünfte wird gerade aus dem Bild herausgetragen. |
Schützenfest 1929 Bis in die heutige Zeit hinein hielt sich hartnäckig das Gerücht, es habe vor dem Zweiten Weltkrieg bereits eine eigene ASV-Fahne gegeben [9]: Als 1944 amerikanische Bomber ihre tödliche Fracht über Willich abwarfen, trafen sie auch das Haus des damaligen Schützenkönigs Willi Hehnen. Bekanntlich verlor dabei Königin Anna ihr Leben. Aber auch Insignien des Allgemeinen Schützenvereines wurden dort verschüttet. Das Königssilber barg Hilde Windhausen mit bloßen Händen aus dem Schutt. Bei diesem Bombenangriff soll auch, so sagte man, die alte ASV-Fahne in den Trümmern verbrannt sein [10]. Nach Befragung der wenigen noch lebenden Zeitzeugen und einer intensiven Auswertung vorhandener Dokumente und Bilder ist es als gesichert anzusehen, dass der ASV vor 1952 keine eigene Fahne besessen hatte, sondern die einzelnen Bruderschaftsabordnungen, dem §1 der Vereinbarung von 1886 getreu ihre Eigenständigkeit demonstrierend, jeweils für sich dem Festzug vorangingen. |